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Pflanzliche Sterole in Lebensmitteln: Nicht für jeden geeignet

 

Pflanzliche Sterole werden häufig Lebensmitteln zugesetzt, um die Aufnahme von Cholesterin im Darm zu verringern bzw. um den Cholesterinspiegel zu senken. Eine Studie der Universität Leipzig hat jetzt erstmals Hinweise geliefert, dass nicht alle Menschen gleichermaßen von pflanzlichen Sterolzusätzen in der Nahrung profitieren. Im Gegenteil: Bei bestimmten erblichen Veranlagungen kann der übermäßige Verzehr das Herzkreislaufrisiko möglicherweise sogar erhöhen.

 

Was sind pflanzliche Sterole?

 

Pflanzliche Sterole – auch Phytosterole genannt – finden sich in den Zellwänden von Pflanzen. Sie kommen natürlicherweise in pflanzlichen Ölen oder Fetten vor. Der chemische Aufbau der pflanzlichen Sterole ähnelt dem des Cholesterins, dessen Aufnahme sie im Darm hemmen: Die Phytosterole verdrängen das Cholesterin von den Transport-Eiweißen im Darm. Außerdem günstig: Ein großer Teil der pflanzlichen Sterole, die von den Darmzellen aufgenommen werden, gelangt sofort wieder in den Darm zurück und wird ausgeschieden – nur ein geringer Teil wird in das Blut transportiert.

 

Verschiedene Studien haben in der Vergangenheit bestätigt, dass pflanzliche Sterole eine cholesterinsenkende Wirkung haben. Sie werden deshalb einigen Lebensmitteln künstlich zugesetzt, wie z. B. verschiedenen Sorten von Margarine, Milchprodukten (Joghurt, Käse, Sprühsahne, Sojamilch), Salat- oder Gewürzsoßen. Für die industrielle Produktion werden Phytosterole häufig aus Sojabohnen gewonnen.

 

Entscheidend ist der Blutspiegel

 

Normalerweise gelangt nur ein kleiner Anteil der pflanzlichen Nahrungssterole ins Blut, das meiste wird direkt über den Darm entsorgt. Bei einer bestimmten Konstellation der Erbanlagen (Gene) konnten die Forscher aus Leipzig jetzt allerdings relativ hohe Sterolspiegel im Blut nachweisen.

 

Für ihre Studien hatte die Arbeitsgruppe rund 27 000 Blutproben von herzkranken und herzgesunden Personen analysiert. An diesem Großprojekt beteiligten sich weitere Universitäten in Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Als Ergebnis fanden die Wissenschaftler drei Genabschnitte im menschlichen Erbgut, die offenbar einen Einfluss auf die Höhe der Phytosterolspiegel im Blut haben. Besonders interessant: Einer dieser Genabschnitte liegt auf der Erbanlage, die für die individuelle Blutgruppe verantwortlich ist. Bei Trägern der Blutgruppen A, B oder AB wurden im statistischen Durchschnitt höhere Phytosterolspiegel gefunden als bei Vorliegen der Blutgruppe 0. Mit den höheren Phytosterolspiegeln im Blut stieg auch das Risiko für eine Erkrankung der Herzkranzgefäße an.

 

Die Ergebnisse der Leipziger Studie zeigen erstmals, dass Menschen mit bestimmten Genvarianten von pflanzlichen Sterolzusätzen in Lebensmitteln nicht profitieren, sondern im Gegenteil stärker gefährdet sind. Bei diesen Personen werden mehr Phytosterole ins Blut transportiert, wo sie ähnliche schädliche Auswirkungen haben können wie das Cholesterin.

 

Die Kommentare der Wissenschaftler

 

Prof. Dr. Daniel Teupser, Professor für Klinische Chemie und Funktionelle Genetik, kommentierte die Ergebnisse wie folgt: „Durch die aufwendigen Leipziger Forschungen konnte erstmals eine direkte Verbindung zwischen den für den Transport pflanzlicher Sterole wesentlichen Lipidgenen und der koronaren Herzerkrankung gezeigt werden. Menschen mit einer bestimmten genetischen Variante scheiden Phytosterole schlechter aus, haben dadurch einen höhere Sterolspiegel und somit ein erhöhtes Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Dieser Befund steht im Widerspruch zu den Empfehlungen medizinischer Fachgesellschaften, die eine Nahrungsmittelergänzung mit pflanzlichen Sterolen befürworten."
Prof. Dr. Joachim Thiery, Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Molekulare Diagnostik, fügte in einer Pressemeldung der Universität Leipzig ergänzend hinzu: „Aufgrund der Forschungsergebnisse kann die weit verbreitete Auffassung, dass Produkte mit Ersatzstoffen für tierische Fette grundsätzlich gesundheitsfördernd sind, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Für einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung sind sie sogar als schädlich einzustufen. Die gefundenen Zusammenhänge bedürfen nun einer tiefer gehenden Funktionsaufklärung, die in Leipzig jetzt im Rahmen der Landesexzellenzinitiative LIFE stattfinden wird."

Das FAZIT

 

Der Konsum von Lebensmitteln mit künstlich zugesetzten pflanzlichen Sterolen (Phytosterole) wird nicht mehr ganz unkritisch gesehen. Einige Menschen mit bestimmten genetischen Veranlagungen können die Phytosterole schlechter ausscheiden. Hierdurch steigt der Blutspiegel der cholesterinähnlichen Fettstoffe an. Die Folge: Das Herzkreislaufrisiko wird unter Umständen sogar erhöht und nicht – wie eigentlich durch den Lebensmittelzusatz vorgesehen – verringert. Weitere Forschungsarbeiten werden dieses Thema in der Zukunft sicherlich noch ausführlicher untersuchen.

 

Die Autoren der Studie weisen aber auch darauf hin, dass ein Austausch tierischer durch pflanzliche Fette nach wie vor sinnvoll ist, um die Aufnahme von gesättigten Fettsäuren und Cholesterin zu verringern. Eine einseitige Zufuhr von Lebensmitteln, die mit Zusatzstoffen wie Phytosterolen angereichert sind, sollte allerdings hinterfragt werden. Auch hier ist vermutlich der sicherste Weg die ausgewogene Ernährung mit möglichst natürlichen Erzeugnissen.

 

(Quelle: Teupser D et al. Genetic Regulation of Serum Phytosterol Levels and Risk of Coronary Artery Disease. Circ Cardiovasc Genet 2010; published online before print, doi: 10.1161/CIRCGENETICS.109.907873 / Pressemeldung der Universität Leipzig)