Das Medizin-Thema
 

Nahrungsfette beeinflussen das Gehirn

 

Fett ist nicht gleich Fett. Wie gesund wir uns ernähren, hängt von der Menge und der Zusammensetzung der Fette ab, das heißt vom Anteil gesättigter, einfach ungesättigter und mehrfach ungesättigter Fettsäuren. Eine Arbeitsgruppe um Dr. Anita Hennige von der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen hat in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung untersucht, wie sich unterschiedliche Fettqualitäten auf die Gehirnaktivität auswirken.

 

Die Wissenschaftler prüften tierisches Fett mit vielen gesättigten Fettsäuren und pflanzliches Fett mit besonders vielen ungesättigten Fettsäuren. Die Ergebnisse wurden aktuell in „Diabetes", der Fachzeitschrift der Amerikanischen Diabetesgesellschaft, veröffentlicht.

 

Die Studie und ihre Ergebnisse

An der Studie beteiligten sich 24 Testpersonen, die in drei Gruppen aufgeteilt wurden. Alle Versuchsteilnehmer verzehrten drei Monate lang täglich 500 Gramm fettarmen Joghurt. Gruppe 1 nahm den Joghurt „pur" zu sich. In Gruppe 2 war der Joghurt mit 40 Gramm Milchfett und in Gruppe 3 mit 40 Gramm Rapsöl angereichert. Während Milchfett viele gesättigte Fettsäuren enthält, zeichnet sich Rapsöl durch besonders viele einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus.

Beim Vergleich der Gruppen nach der dreimonatigen Testphase kamen die Wissenschaftler an der Universitätsklinik Tübingen zu folgenden Ergebnissen:

  • Das Körpergewicht und die Blutfettwerte blieben in allen drei Gruppen unverändert. Dies hatte man bei der geringen zusätzlichen Fettmenge (täglich 40 Gramm) auch nicht erwartet. Aber:

  • Die Gruppe, die regelmäßig das Milchfett mit den gesättigten Fettsäuren konsumiert hatte, zeigte in den Untersuchungen eine herabgesetzte Aktivität in verschiedenen Gehirnregionen. Auffällige Abweichungen gab es vor allem in den Gehirnregionen, die das Gedächtnis, das Sättigungsgefühl und das Bewegungsverhalten beeinflussen.

 

Quellen:

  • Sartorius T et al. Monounsaturated Fatty Acids Prevent the Aversive Effects of Obesity on Locomotion, Brain Activity, and Sleep Behavior. Diabetes 2012; published online before print, doi: 10.2337/db11-1521

  • Pressemitteilung der Universität Tübingen vom 16.04.2012

 

 

Ähnliche Hinweise aus anderen Untersuchungen

Zuvor hatten Wissenschaftler an der Universität Tübingen auch in Experimenten mit Mäusen zeigen können, dass die erhöhte Aufnahme gesättigter Fettsäuren bei den Tieren zu einem Anstieg der Blutzuckerwerte, zu einer Abnahme der Gehirnaktivität, zu weniger Bewegung und zu einem veränderten Schlafmuster führte. Ungesättigte Fettsäuren bewirkten diese Veränderungen hingegen nicht.

Andere Forschergruppen kamen in der Vergangenheit zu ähnlichen Ergebnissen. Im Jahr 2009 veröffentlichte eine Arbeitsgruppe um Deborah Clegg von der Universität Texas in den USA eine Studie mit Ratten, die mit gesättigten oder ungesättigten Fettsäuren gefüttert wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass die gesättigten Fettsäuren die Empfindlichkeit der Nervenzellen für die Sättigungshormone herabsetzten. Hierdurch blieb die Aktivierung der Signalwege aus, die sonst im Gehirn ein Sättigungsgefühl auslösen. Die Tiere neigten dazu, immer mehr zu essen und wurden schließlich übergewichtig. Das Füttern der ungesättigten Fettsäuren bewirkte hingegen keine solche Reaktion.

Eine Arbeitsgruppe von der Harvard Medical School in Boston, USA, hatte in der Vergangenheit bei Diabetikerinnen untersucht, welchen Einfluss die Art der Nahrungsfette auf die Gedächtnisleistung hat. Das Ergebnis: Typ 2 Diabetikerinnen mit einem hohen Konsum an gesättigten Fettsäuren und Transfettsäuren zeigten nach Jahren eine deutlich schlechtere Gehirnleistung als gleichaltrige Diabetikerinnen, die auf eine gesündere Ernährung mit mehr ungesättigten Fettsäuren geachtet hatten. Ein höherer Konsum an gesättigten und Transfettsäuren in den vergangenen Jahren bzw. Jahrzehnten war hier mit einem stärkeren Abfall der Gedächtnisleistung verknüpft.

 

Gesättigte und ungesättigte Fette

Fette erfüllen für den Körper verschiedene wichtige Aufgaben. Als Energielieferant stellen sie

doppelt so viel Energie bereit wie Kohlenhydrate und Eiweiß (1 g Fett liefert zirka 9 Kilokalorien, 1 g Eiweiß und 1 g Kohlenhydrate jeweils zirka 4 Kilokalorien). Fette sind aber auch Transportmittel für bestimmte Vitamine, sie werden für den Aufbau von Zellmembranen im Körper benötigt und sie erfüllen viele Aufgaben im Stoffwechsel. Bestimmte Fettsäuren sind sogar lebensnotwendig, weil der Körper sie nicht selbst herstellen kann.

Nach ihrem chemischen Aufbau werden gesättigte, einfach ungesättigte und mehrfach ungesättigte Fettsäuren unterschieden: Gesättigte Fettsäuren enthalten keine Doppel-, sondern nur Einfachbindungen. Je mehr Doppelbindungen eine Fettsäure aufweist, umso reaktiver ist sie im Körper. Gesättigte Fettsäuren stammen vor allem aus tierischen Produkten wie Fleisch oder Eiern, während ungesättigte Fettsäuren in pflanzlicher Nahrung zu finden sind.

Aktuelle Ernährungsempfehlungen sehen vor, die Aufnahme von gesättigten Fetten und Transfetten auf weniger als 10 Prozent der täglichen Kalorienaufnahme zu beschränken.

Besonders viele ungünstige Fette enthalten fettes Fleisch, Wurst und Käse, Sahne, Speck, Schokolade, Pralinen, creme- und schokoladengefülltes Gebäck sowie zahlreiche fettreiche Fertignahrungsmittel (Fertig-Backwaren, Chips, abgepackte Snacks). Vor allem die Transfette gelten als schädlich. Sie entstehen bei der künstlichen „Härtung" pflanzlicher Öle. Diese Härtung wird häufig eingesetzt, um eine längere Haltbarkeit zu erzielen. Hinweise auf der Verpackung sind Formulierungen wie „pflanzliches Fett, das gehärtet oder teilweise gehärtet ist". Auch beim Erhitzen von Ölen (z. B. beim Frittieren) können Transfettsäuren entstehen.

Viele einfach ungesättigte Fettsäuren liefern zum Beispiel: Raps-, Oliven-, Erdnuss-, Haselnuss- und Mandelöl. Viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind unter anderem enthalten in: Walnuss-, Sonnenblumen-, Maiskeim-, Soja-, Distel-, Lein-, Trauben-, Kürbiskern- und Sesamöl.